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Angst vor Bedeutungslosigkeit: Deutsch-Russisches Forum streitet über neue Ausrichtung


Der Ukraine-Krieg hat die Arbeit des Deutsch-Russischen Forums abrupt gestoppt. Nun ringen prominente Mitglieder um eine neue Richtung – um die Selbstauflösung zu verhindern.

Das Deutsch-Russische Forum war einmal das wichtigste Forum für den Austausch zwischen den beiden Ländern. Seit der Gründung 1993 verband der Verein Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur, eine Art Atlantikbrücke nach Osten.

Zur hauseigenen Veranstaltung „Petersburger Dialog“ kamen früher Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine endete der Austausch jäh, das Deutsch-Russische Forum ringt mit sich selbst um die Existenzberechtigung.

Ein Viertel der ehemals 500 Mitglieder hat dem Verein den Rücken gekehrt, die übrigen Mitglieder streiten erbittert über die zukünftige Ausrichtung. Das zeigen interne Dokumente und Protokolle, die dem Handelsblatt vorliegen.

Eine Mehrheit der Mitglieder sucht offenbar nach Wegen, den Kontakt in Richtung Russland zu halten. Der Ehrenvorsitzende und frühere Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, warnt allerdings vor einem „Weiter so“.

Im vergangenen Juli schrieb er, dies wäre ein Aufforderung, mit dem Russland unter der Führung des „Kriegsverbrechers Putin“ eine gemeinsame Zukunft zu suchen. Als einziges Feld für das Forum bleibe die Arbeit mit emigrierten Russen. „Auf ihnen ruht die Hoffnung Russlands auf eine europäische Zukunft“, schreibt von Studnitz.

Deutsch-Russisches Forum streitet um die eigene Zukunft

Der Brief stieß intern auf harsche Kritik. Als Führungsmacht in Europa könne sich Deutschland dem Gespräch mit Russland nicht entziehen, schrieb etwa Lothar de Maizière in einer Replik. De Maizière war der letzte Ministerpräsident der DDR und später Minister im Kabinett von Helmut Kohl, sein Wort hat Gewicht. „Russland ist so wichtig und so nah, dass wir ohne Beziehung nicht auf Dauer leben können“, schreibt er.

Einen Vorschlag für einen Umgang mit Putins Russland hat er auch parat. Das Land entwickele sich nach seiner eigene Art und Weise. „Seine Erziehung können wir uns sparen“, meint de Maizière.

Eine Ansicht, die offenbar viele Mitglieder des Forums teilen. Jeden Satz könne er unterschreiben, formuliert ein Mitglied in einer internen Chatgruppe. Ein anderes ergänzt: „Es geht nur mit Russland.“

Intern äußern einige Mitglieder auch offen Verständnis für Russlands Angriff auf die Ukraine. Viele verstünden die Beweggründe der russischen Regierung, „diese Entscheidung für eine militärische Lösung der langjährigen Krise zu treffen“, schreibt ein Alfred M. Für den Überfall auf die Ukraine ist Moskau mehrmals von der UN-Vollversammlung mit großer Mehrheit verurteilt worden.

Doch es gibt auch Kritik. De Maizières Brief, so schreibt ein Noch-Mitglied, habe ihm noch einmal vor Augen geführt, „wie richtig mein Austritt aus dem DRF gewesen ist“. In einer Stellungnahme auf der Internetseite verurteilte der Verein den russischen Angriffskrieg im Februar 2022 zwar. Eine weitere Stellungnahme, veröffentlicht zum Jahrestag des Überfalls am 24. Februar 2023, ist allerdings deutlich weniger eindeutig. Das Forum beklagt darin Opfer auf beiden Seiten und ruft Russland, die Ukraine und den Westen dazu auf, den Krieg beizulegen. Eine deutliche Verurteilung des russischen Überfalls fehlt.

Budget halbiert

Die politische Arbeit mit Russland dürfte mindestens bis Kriegsende ohnehin auf Eis liegen. Das Forum muss sich eine neue Rolle suchen, da „die aktive inhaltliche Zusammenarbeit mit politischen Akteuren in Russland (…) bis auf Weiteres nicht möglich ist“, heißt es in einem Konzeptpapier, über das eine außerordentliche Mitgliederversammlung im November 2022 beriet.

Stattdessen will sich das Forum auf die Zivilgesellschaft konzentrieren, etwa mit Sprachkursen oder Stipendien. „Dies bedeutet praktisch, dass der Verein Ansprechpartner in den Bereichen Jugend, Nachwuchskräfte und kommunale Verbindung bleibt“, sagte der Geschäftsführer des Vorstands, Martin Hoffmann, auf Anfrage.

Die Mittel dafür sind allerdings deutlich geschrumpft. Das Budget für 2023 liegt bei 664.900 Euro, halb so viel wie im Vorjahr.

Quella: Handels Blatt

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