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“Der Große Gopnik”: Jerofejew Entlarvt Wesen Der Russischen Macht

Der aus Russland stammende Autor Viktor Jerofejew flüchtete nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine aus seinem Heimatland. Sein Roman “Der große Gopnik” erzählt von sich und seinem Land – und entlarvt dabei das Wesen der russischen Macht.

von Christine Hamel

Als der Krieg zwischen Russland und der Ukraine begann, hat der russische Schriftsteller sofort die Koffer gepackt und hat mitsamt seiner Familie sein Geburtsland verlassen. Er hatte immer schon deutlich Kritik an Putin geäußert und fürchtete eine mögliche Inhaftierung. Auf seiner Reise ins Exil führte der Weg auch nach Deutschland. In seinem neuen Roman “Der große Gopnik” setzt er sich noch einmal mit Putin auseinander.

“Der große Gopnik”: Roman über Russland im 21. Jahrhundert unter Putin

“Das ist so ein Hinterhofimperialist”, erklärt der Autor Viktor Jerofejew, was es mit Gopnik auf sich hat. “Der Sieg ist ihm ebenso wichtig wie die Erniedrigung anderer. Das Paradox dabei ist, dass uns so ein Kleinkrimineller regiert und das Weltgeschehen bestimmt. Ein Mensch, der schon ein Vierteljahrhundert Präsident Russlands ist und das Land in den Krieg mit der Ukraine gestürzt hat. Genau diese Spannung zwischen dem Unmöglichen und der Realität – das ist die Figur Putin.”

Viktor Jerofejew erzählt von sich und Russland

“Der große Gopnik” ist ein Roman über Russland im 21. Jahrhundert unter Putin. Das Aroma des Abstrusen, das die 614 Seiten durchzieht, ist dabei keineswegs der Fantasie geschuldet.

Das hat auch Folgen für den Roman. “Der große Gopnik” erfindet trotz aller galoppierenden Groteske grundsätzlich nichts, der Bruder Viktor Jerofejews wird im Roman zu einer Schwester, mit der der Schriftsteller – so viel Drastik und amoralischer Überschuss müssen sein – ein inzestuöses Verhältnis hat. Auch die Perspektiven, die Zeit- und Bedeutungsebenen wirbeln durcheinander, doch die Handlung bewegt sich durchaus eng an der russischen Wirklichkeit.

In kurzen Kapiteln erzählt Viktor Jerofejew von sich selbst und von Russland. Im Zentrum: Die Geschichtsvergessenheit, die Unfähigkeit der Russen, sich der eigenen Gewalt-Historie zu stellen, und sich stattdessen an archaisches Denken und den Mythos zu klammern und deshalb im Kreis zu drehen.

Buch entlarvt das Wesen der russischen Macht

Viktor Jerofejew kennt das Innenfutter der Macht in Russland aus eigener Erfahrung. Sein Vater war der persönliche Dolmetscher Stalins und später Kulturattaché an der sowjetischen Botschaft in Paris. Boris Nemzow, der 2015 erschossene Oppositionspolitiker, war sein Freund. “In Russland herrschen zwei Mächte, die des Kreml und die der Kultur,” erzählt Jerofejew. “Die Macht hasst die Kultur und andersherum. Darum geht es auch in meinem Roman. Ich versuche grundsätzlich zu verstehen, warum so viele Dinge schieflaufen. Nicht nur in Russland, sondern überall. Es geht mir um ein allgemeinmenschliches Phänomen, das man durch die russische Realität zu fassen bekommt.”

Russland, meint Viktor Jerofejew, hat wieder einmal die Nase vorn in Katastrophismus und Zerstörung. Führt einen irrsinnigen Krieg gegen den NachbarstaatDer Tag des Angriffs auf die Ukraine, der 24. Februar 2022 durchzieht wie ein roter Faden das Buch. Unter dem immer gleichen Datum subsumiert der Schriftsteller seine kursiv gesetzten Überlegungen, Phantasmagorien und Empfindungen zur russischen Invasion in der Ukraine, gleichsam ein Tagebuch des Schriftstellers: wütend, fassungslos, unendlich traurig, hämisch das Wesen der russischen Macht entlarvend.

“Es ist ein kranker Roman,” meint Jerofejew, “nicht weil er schwach ist, sondern weil er während des Krieges gegen die Ukraine entstanden ist. Er drückt Schmerz über das Grauen aus, den Schmerz des Schriftstellers und der russischen Sprache.”

Quelle : ndr.de

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