CDU-Chef Friedrich Merz wies in der Vergangenheit bereits auf Probleme durch Migranten-Kinder in unseren Schulen hin – und wurde für seine Wortwahl („kleine Paschas“) heftig kritisiert. Doch schon in Kindergärten herrschen zum Teil unfassbare Zustände. Eine Erzieherin über Respektlosigkeit, Rohheit und Bedrohungen.
Die Informantin will lieber anonym bleiben. Der Name der Einrichtung, in der sie bis vor kurzem gearbeitet hat, darf nicht genannt werden. Der Grund ist einfach: „Meine früheren Kolleginnen haben Angst, richtig Angst.“ Keine von ihnen wolle den Mund aufmachen, weil das vermutlich „böse Konsequenzen“ hätte.
Tatsächlich geht es um ein hochbrisantes, auch politisch heikles Thema, über das in Deutschland bislang kaum gesprochen wird: Kinder aus Zuwanderer- und Flüchtlingsfamilien, die in Kindergärten immer größere Probleme machen.
Im März 2022 hatten von den rund 2,63 Millionen Kindergarten-Kindern zwischen drei und sieben Jahren rund 820.500 einen Migrationshintergrund, also knapp ein Drittel (31,2 Prozent).
Migrationsanteil in Kitas bei 31,2 Prozent, oft weit höher
In einigen Einrichtungen etwa im Rhein-Main-Gebiet, in Teilen Baden-Württembergs oder in den Ballungsräumen Nordrhein-Westfalens liegt der Anteil von Kindern mit mindestens einem ausländischen Elternteil weitaus höher – zum Teil bei deutlich über 70 Prozent. Die Auswirkungen auf den Alltag von Kindern und Kita-Mitarbeitenden sind mitunter erheblich.
Eine Erzieherin aus Baden-Württemberg wandte sich an FOCUS online, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Vor wenigen Monaten reichte sie nach jahrelanger Tätigkeit ihre Kündigung ein, weil sie die Situation in ihrer Kindertagesstätte nicht länger ausgehalten hat.
Mittlerweile arbeitet sie in einer anderen Einrichtung, in der es weit weniger schlimm zugeht als in dem Brennpunkt-Kindergarten, in dem sie sich am Schluss „wie eine Wärterin“ gefühlt hat.
Ihre Schilderungen erinnern an Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz im Zusammenhang mit den Silvesterkrawallen.
„Kleine Paschas“: CDU-Chef Merz über Probleme in Schulen
Merz hatte im Januar 2023 beklagt, dass Lehrerinnen und Lehrer von vielen Schülern insbesondere aus „Migrantenfamilien“ nicht mehr respektiert würden. Der Christdemokrat sprach von „kleinen Paschas“ und stellte fest: „Wir haben in den Schulen erhebliche Probleme.“
dpa CDU-Chef Friedrich Merz erntete für seine Äußerung zu “kleinen Paschas” viel Kritik
Probleme gibt es nicht nur in Schulen. Probleme gibt es offenbar schon in vielen Kindertagesstätten.
„In der Einrichtung haben 80 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund oder sind Flüchtlingskinder“, sagt die Erzieherin über ihre alte Arbeitsstätte. Das führe immer wieder zu Konflikten.
„Viele Kinder sind belastet durch Kriegs- und Fluchterfahrungen, ob sie aus Syrien kommen, aus Afghanistan, Irak oder dem Iran“, so die Informantin. Deutschland sei für sie ein fremdes Land. Eine andere Sprache, eine andere Kultur, andere Regeln. Sich in dieser neuen Welt einzuleben, sei schwer. Das beginne schon bei der Verständigung.
Kita-Erzieherin packt aus: „Getreten, geschlagen, gebissen“
„Die Kinder werden zu uns in die Einrichtung geschickt, ohne dass sie auch nur ein Wort Deutsch können. Ihre Eltern sprechen auch kein Deutsch“, so die Erzieherin zu FOCUS online. Das sei nicht nur bei Flüchtlingskindern so, sondern zum Teil auch bei Migranten-Kindern, die schon in der zweiten Generation hier leben.
Viele Streitereien mit deutschen Kindern würden auf „sprachlichen Missverständnissen“ beruhen, meint die Erzieherin. „Wenn ich die Sprache nicht verstehe, dann weiß ich auch nicht, welche Regeln ich befolgen muss.“
Fast zwangsläufig komme es zu Auseinandersetzungen und Aggressionen. „Da wird getreten, geschlagen, gebissen. Sie nehmen anderen Kindern die Spielzeuge weg, manchmal wandern die Sachen auch in den eigenen Rucksack und werden mit aller Kraft verteidigt.“
Die Erzieherinnen bemühten sich redlich, die Wogen zu glätten und den Kindern den Alltag zu erleichtern. „Oft geht es nur mit Zeichensprache und Bildkarten. Dann zeigt man ihnen, dass wir in den Garten gehen oder was sie anziehen sollen.“ Manchmal würden die Erzieherinnen auch zum Handy greifen, um mit Google Translate „irgendwas zu übersetzen“.
Ausländischen Kindern beizubringen, Deutsch zu verstehen und zu sprechen, sei schwierig und kräftezehrend, sagt die Frau, „speziell bei Kindern aus dem arabischen Raum“.
Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund: Viel Ärger
Zwar gehöre das mittlerweile mehr oder weniger zu den Standardaufgaben von Erzieherinnen. „Aber eigentlich wäre es sinnvoll, wenn die Kinder zumindest ein paar grundlegende Worte könnten.“ Denn die Zeit und die Energie, die man in die Vermittlung von Sprache stecke, fehle an anderer Stelle.
Doch nicht nur sprachliche Barrieren machten vielen Kita-Mitarbeitenden zu schaffen. Auch das Verhalten einiger Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund bringe sie zur Verzweiflung.
Die Erzieherin nennt ein paar Beispiele:
Wenn Mädchen und Jungen neu in den Kindergarten kommen, gibt es eine Eingewöhnungsphase. Dabei wird das Kind im Beisein eines Elternteils über mehrere Wochen hinweg Schritt für Schritt in sein neues Kita-Leben eingeführt. Mutter oder Vater sind also mit im Kindergarten.
Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild Kinderrucksäcke hängen im Eingangsbereich eines Kindergartens
„Die Eingewöhnungsphase wurde von den meisten Eltern mit Migrationshintergrund nicht akzeptiert. Die Kinder sind einfach durch den Eingang geschoben worden, Tür zu, und die Eltern sind schnell weggerannt.“
Ähnliche Vorfälle habe es bei Notbetreuungen im Kindergarten etwa während der Corona-Pandemie gegeben. An diesen Tagen durften eigentlich nur Kinder kommen, deren Eltern in Berufen der kritischen Infrastruktur arbeiten. „Die haben ihre Kinder trotzdem zu uns gebracht – von morgens bis zur Schließung und sogar darüber hinaus. Ohne Entschuldigung. Ohne Verständnis. Obwohl die Eltern nicht gearbeitet haben.“
„Die fühlen sich stark, weil sie in der Mehrheit sind“
Die Erzieherin berichtet auch von unschönen Szenen zwischen Eltern mit Migrationshintergrund und Eltern, die aus Deutschland stammen. So hätten Ausländer deutsche Eltern vor der Einrichtung „abgepasst, beschimpft und beleidigt“. Sie würden ihre Kinder schlecht erziehen und seien schuld an vielen Problemen im Kindergarten.
„Die fühlen sich stark, weil sie in der Mehrheit sind“, sagt die Erzieherin. „Die drehen den Spieß um. Nicht wie man es in der Presse oft liest: Die bösen Deutschen beschimpfen die Ausländer. Nein, hier ist es genau umgedreht!“
Auch sie selbst sei schon Opfer von Beleidigungen und Ehrverletzungen geworden. So hätten Kinder ausländischer Herkunft selbstbewusst gesagt: „Du mir nix sagen, du deutsch!“ Das habe sie schockiert.
Von einer türkischen Erzieherin ließen sich die Kinder sehr wohl etwas sagen. Und von Männern, egal ob jung oder alt. „Aber wir Deutschen sind meistens außen vor, gerade die Frauen“, schimpft die Erzieherin. Fehlende Anerkennung, kein Respekt, abwertende Sprüche – „so etwas ist leider an der Tagesordnung“.
Einmal stand „der ganze Clan“ vor Tür des Kindergartens
Auch mit Eltern solcher Kinder sei sie schon aneinandergeraten, erklärt sie. „Ich bin von einem Vater bedroht worden, weil ich es gewagt hatte, bei ihm anzurufen und ihn darum zu bitten, sein krankes Kind abzuholen.“ Der Mann, ein Syrer, habe angekündigt, er werde sie „nachts erwischen“.
Einmal habe sogar „der ganze Clan“ vor der Tür des Kindergartens gestanden, „die gesamte Familie mit fünf jungen Männern“. Die Erzieherin: „Das war eine Drohgebärde: Wehe, Du rufst nochmal an, weil das Kind abzuholen ist!“
Zwar habe sie nie die Polizei eingeschaltet, dafür aber ihre Vorgesetzen informiert. „Die Leitung hat gesagt: Da können wir auch nichts machen. Bei uns ist die Klientel halt so, da müssen wir sehr vorsichtig sein.“
Unter den schwierigen Bedingungen hätten sie und andere Erzieherinnen sehr gelitten. „Das System macht alle kaputt. Meine Kolleginnen werden oft krank. Das ist der hohen Arbeitsbelastung geschuldet.“ Und am Ende des Tages stehe man ausländischen Eltern gegenüber, die einem ins Gesicht sagen, man sei „einfach nur zu faul, um seinen Job zu machen“.
„Bei einigen schlägt das in aggressives Verhalten um“
Die Schilderungen der Erzieherin mögen drastisch sein, vielleicht sogar extrem. Möglicherweise haben andere Einrichtungen ganz andere, positive Erfahrungen mit Migranten- und Flüchtlingskindern gemacht.
Allerdings erreichten FOCUS online ähnliche Berichte aus Niedersachsen, Bremen und Bayern. Auch dort kommt es nach Aussagen von Erzieherinnen und Eltern zu teilweise massiven Problemen mit Kindern aus Zuwanderer-Familien.
Beispielhaft sind die Erfahrungen einer Frau, die in einer niedersächsischen Großstadt als Einzelfallhilfe arbeitet. Sie kümmert sich gezielt um verhaltensauffällige Kinder und versucht, sie in Kindergartengruppen zu integrieren. Sie sagt: „Wenn Kinder sich aufgrund der Sprachbarrieren nicht mitteilen können, fühlen sie sich ausgegrenzt und werden unzufrieden. Bei einigen schlägt das in aggressives Verhalten um.“
Sie berichtet von einem Jungen, der andere Kinder „gehauen, am Kopf hochgehoben und geschüttelt hat“. Solche Gewalttaten hätten den Rest der Gruppe verunsichert und verängstigt und auch die Eltern beunruhigt. „Die negativen Auswirkungen auf das Klima im Kindergarten waren unübersehbar.“
Erzieherinnen am Ende: „Ihre Toleranz ist aufgebraucht“
Für Kita-Mitarbeitende sei der Umgang mit Kindern aus Zuwanderer-Familien oft mühsam und kraftraubend, erklärt die Mitarbeiterin gegenüber FOCUS online. „Die zeitaufwändigen Bemühungen, den Kindern zumindest etwas Deutsch beizubringen, führen dazu, dass die anderen Kinder auf der Strecke bleiben. Aber die müssen auch betreut und gefördert werden.“
Verschärft werde die Situation durch massive Personalsorgen in vielen Einrichtungen. Sie habe in einem Kindergarten gearbeitet, in dem zwei Erzieherinnen für 26 Kinder zuständig waren. „Das finde ich puren Wahnsinn.“
Die Folgen beschreibt sie so: „Viele Erzieherinnen und Erzieher haben gar nicht mehr die Geduld, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die durch Kinder mit Migrationshintergrund entstehen. Ihre Toleranz ist aufgebraucht.“
Sie kenne viele Kolleginnen, die anfangs offen waren für neue Kulturen und die sich darauf gefreut hatten, Kinder anderer Herkunft in das deutsche Kita-System einzugliedern. Doch mittlerweile würden sich immer mehr von ihnen fragen: „Wofür machen wir das, wenn der Dank von der anderen Seite eh nicht da ist?“
Expertin Birgit Riedel: Klagen „sicherlich berechtigt“
Birgit Riedel vom Deutschen Jugendinstitut in München befasst sich intensiv mit dem Thema Betreuung und Erziehung von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Gegenüber FOCUS online sagte sie, die erschütternden Schilderungen der Erzieherinnen seien „sicherlich berechtigt“.
Riedel: „Ich kenne solche Berichte auch und will sie nicht kleinreden.“ Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass aufgrund des teilweise drastisch bemerkbaren Fachkräftemangels „Kindertageseinrichtungen ohnehin bereits in vielen Fällen an ihrem Limit sind und die Sprachbarrieren hier allenfalls verschärfend hinzukommen“.
Die Expertin weiter: „Wichtig ist, den Erziehern und Erzieherinnen den Rücken zu stärken, zum Beispiel durch die generelle gesellschaftliche Aufwertung des Berufs, aber auch durch Fortbildungen zu interkultureller Kompetenz, um solchen Situationen souverän und reflektiert begegnen zu können.“
Quella: Focus